Die Offenbarung wurde leider zu einer Quelle von unbiblischen Vorstellungen über die Endzeit. Eine dieser Fehlinterpretationen ist das Millennium, angeblich eine tausendjährige Herrschaft Christi auf Erden unmittelbar vor oder nach seiner Wiederkunft. Es gibt auch andere falsche Vorstellungen, wie z. B. erzwungene Massenbekehrungen und Entrückungen, bei denen Gott die Gläubigen in den Himmel reißt. Um zu vermeiden, dass wir aus der Offenbarung Dinge entnehmen oder hineinlesen, die Gott nicht beabsichtigt hat, müssen wir uns vor dem Studium des letzten Buches der Bibel an die allgemeinen Auslegungsregeln für die Bibel erinnern lassen.
Wir legen die gesamte Bibel als Gottes Wort aus. Da die gesamte Heilige Schrift einen einzigen göttlichen Ursprung hat, wissen wir, dass alle Teile der Bibel in ihrem Inhalt übereinstimmen. Wir studieren auch die Offenbarung in dem Vertrauen, dass sie mit der ganzen Bibel im Einklang steht. Obwohl Johannes nie direkt aus der Heiligen Schrift zitiert, bezieht er mehr als fünfhundert biblische Paraphrasen und Anspielungen in seine Visionen ein. Die Offenbarung steht also neben – und nicht über – den anderen Büchern der Heiligen Schrift. Wenn wir beginnen, sie zu lesen, können wir sicher sein, dass dieses Buch keine Lehren einführt, die dem übrigen Wort Gottes fremd sind.
Weil die Bibel Gottes Wort ist, nehmen wir das, was sie sagt, wörtlich. Nicht immer spricht Gott direkt zu uns. Mitunter verwendet er Bilder oder Symbole. Damit wir Gottes Wort richtig auszulegen, müssen wir also die Bibel selbst sagen zu lassen, wann sie direkt und wann sie in Wortbildern spricht. Viele der falschen Auslegungen der Offenbarung beruhen auf der Missachtung dieser Regel. Um diesen Fehler zu vermeiden, müssen wir die Worte, die zu den Abschnitten führen, zu denen wir Fragen haben, genau betrachten. Die Worte selbst verraten uns, wann Johannes direkt spricht und wann er die Visionen beschreibt, die der Geist ihm gab. Wir werden die Botschaft der Offenbarung verzerrt darstellen, wenn wir die direkten Worte des Johannes als bildhaft ansehen oder seiner Bildsprache eine wörtliche Bedeutung zuweisen.
Wir behandeln die Bildsprache der Offenbarung auf dieselbe Weise, wie wir die symbolische Sprache in anderen Teilen der Heiligen Schrift erklären. Zunächst erinnern wir uns daran, dass die Visionen des Johannes wie große, schöne Gemälde sind. Wie die Gleichnisse Jesu hat jedes Bild einen Schwerpunkt, der eine einzige Lehre vermittelt. Einzelne Details tragen zur allgemeinen Schönheit einer Vision bei, dürfen aber unsere Aufmerksamkeit nicht vom Hauptpunkt ablenken. Ähnlich wie bei den Gleichnissen Jesu werden wir also auch bei den Visionen des Johannes nach dem Hauptpunkt der Visionen suchen, ohne aus jedem Detail zwingend eine Bedeutung abzuleiten.
Zweitens liefert die Heilige Schrift ihre eigene Erklärung für die lebhaften Bilder der Offenbarung. Die klaren Bibelstellen helfen uns, die weniger klaren zu verstehen. Zum Beispiel erklärt Johannes viele seiner eigenen Wortbilder, so wie es Jesus häufig in seinen Gleichnissen tat. Manchmal, wenn Johannes seine Symbole nicht sofort erklärt, erläutert er sie später im Buch. Einige Bilder, die in der Offenbarung nicht erklärt werden, werden klar, wenn wir sie mit ähnlichen Bildern in anderen Teilen der Bibel vergleichen. Die Bedeutung einiger weniger Bilder des Johannes wird uns verborgen bleiben.
Zu unserem Grundsatz, dass die Bibel Gottes Wort ist, gehört auch das Vertrauen, dass Gott alles bereitstellt, was wir für unseren Glauben und unser Wissen brauchen. Auch wenn wir vielleicht nicht alle Bildersprache des Johannes verstehen, zwingen wir seinen Worten keine Bedeutung auf, die die Heilige Schrift nicht an anderer Stelle auch lehrt.
Wenn wir Gott für sich selbst sprechen lassen, werden seine Worte auch die Art und Weise beeinflussen, wie wir die Zeiträume auslegen, in denen die Offenbarung von einer Vision geht. Die Art und Weise, wie Jesus durch Johannes spricht, macht klar, dass wir die sieben Visionen nicht wie Kapitel eines Romans lesen können. Johannes vermerkt oft den Ablauf der Zeit, indem er „danach“ oder „dann“ sagt. Aber gewöhnlich bezeichnet er damit die Zeit, die für ihn seit seiner letzten Vision vergangen ist. Nur der Inhalt der Visionen selbst kann uns sagen, ob die Zeit von einer Vision zur nächsten vergeht. Mehrere Visionen schildern denselben Zeitraum in der Geschichte der Kirche, dann aber aus verschiedenen Blickwinkeln.
Die Offenbarung beschreibt die Endzeit vor der Wiederkunft Jesu – die Zeit, in der wir jetzt leben. In den sieben Visionen des Johannes geht es immer wieder um den anhaltenden Kampf zwischen Christus und Satan. Zu Gottes Armee gehören Jesus, die heiligen Engel, Heilige und treue Zeugen des Evangeliums. Zu den Streitkräften des Teufels gehören Satan, seine bösen Engel, Ungläubige, falsche Propheten und weltliche Regierungen. Obwohl alle Visionen denselben Kampf beschreiben, zeigt jede von ihnen unterschiedliche Kämpfer und Schauplätze des Konflikts. In jeder der aufeinander folgenden Visionen wird der Kampf immer intensiver. Die letzte Vision gipfelt in der endgültigen Unterwerfung Satans durch Jesus und seinem ewigen Sieg für die Heiligen.
Gott hat in weiser Voraussicht die Offenbarung an das Ende der Bibel gestellt. Ein gutes Hintergrundwissen über die gesamte Heilige Schrift wird den Lesern der Offenbarung einen doppelten Segen bringen. Es wird davor bewahren, unsere eigenen Vorstellungen in dieses Buch hineinzulegen und es wird helfen, mehr von Gottes reichem Trost aus ihm zu empfangen.