„Die Liebe verhält sich nicht ungehörig“. So heißt es im sogenannten Hohen Lied der Liebe im ersten Korintherbrief. Der Apostel Paulus listet im 13. Kapitel dieses Briefes an die Gemeinde in Korinth die verschiedenen Eigenschaften der Liebe auf. Die Liebe erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört niemals auf. So heißt es da zum Beispiel. Was aber ist gemeint mit „sich nicht ungehörig verhalten“ wie es in der Lutherübersetzung im 4. Vers heißt? Manchmal hilft ein Blick in andere Übersetzungen. Die „Gute Nachricht Bibel“ übersetzt: „Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus.“
Damit ist ein Problem angesprochen, das das Zusammenleben in Familie oder Gemeinde schnell belasten kann. Unser von Sünde gezeichnetes Denken ist dazu veranlagt, an sich selbst geringere Maßstäbe anzulegen als an die Mitmenschen. Die anderen sollten zum Beispiel nicht bei jeder Kleinigkeit aufbrausen und laut werden. Doch wie gut habe ich meine Zunge im Griff? Da stehe ich in der Versuchung, mir gegenüber viel toleranter zu sein als in Bezug auf meine Mitmenschen. Ich nehme mir gern meine zusätzlichen Freiheiten heraus, die ich anderen nicht zubillige. Jesus erklärt diese Schwäche als „Splitterrichten“. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? (Mt 7, 3)
„Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus.“ Nur eine ganz besondere Art von Liebe kann diese Schwäche überwinden und an sich die gleichen Maßstäbe stellen wie an andere. Es ist die Liebe, die vom Kreuz her ihre Kraft nimmt. Jesus hat sich selbst aufgeopfert, damit deine Sünden vergeben sind. Wer von dieser Liebe überwältigt ist, wird zuerst an dem Balken im eigenen Auge arbeiten und eher seinen Mitmenschen besondere Freiheiten zubilligen als sich selbst. Das ist wahre Liebe, tiefe Liebe, göttliche Liebe; das ist „Agape“.